Postnukleotomie-Syndrom: Schmerzen nach Wirbelsäulen-Operationen

Was ist ein Postnukleotomie-Syndrom?

Nach einer Operation an der Wirbelsäule oder einer Bandscheibenoperation erwarten wir eine Beseitigung oder deutliche Linderung der Beschwerden und Schmerzen direkt nach der OP. Zum Glück trifft das nach dem Eingriff auch auf die absolute Mehrheit der Fälle zu. Bleiben die Schmerzen dauerhaft wie vor der Wirbelsäulen-Operation, oder kehren sie wieder, dann sprechen wir von einem Postnukleotomie-Syndrom bzw. von einem Postdiskektomie-Syndrom. Auf Englisch heißt es Failed Back Surgery Syndrome ("erfolglose Rücken-Operation"). Etwa 15 Prozent aller Patienten, die sich einer Wirbelsäulenoperation unterziehen, entwickeln ein Postnukleotomiesyndrom. Die Schmerzen strahlen oft in Arme oder Beine aus - auch dann, wenn die Operation anatomisch erfolgreich war. Die präoperativen (vor einer Operation stattfindend) Schmerzen bleiben und kehren nach dem Eingriff wieder.

Gründe für das Postnukleotomie-Syndrom

Es gibt mehrere Gründe, weshalb Patienten über Schmerzen trotz einer „erfolgreichen“ Operation klagen: Monatelange oder wochenlange Verschiebungen einer diagnostizierten und notwendigen Operation führen zu dauerhaften und chronischen Schäden der Neuralstrukturen.

Ein zweiter Grund ist die schwere multisegmentale Beeinträchtigung von mehreren Strukturen und Segmente der Wirbelsäule. Die Operation nur an einem verdächtigen Segment könnte in so einem Fall nur zu einem Teilerfolg führen. In einigen Fällen entstehen erhebliche Vernarbungen, die Druck auf die Neuralstrukturen ausüben. In anderen Fällen fehlt dem Patienten die individuelle psychosoziale Versorgung und Unterstützung.

Tatsächlich ist es so, dass familiäre oder berufliche Unzufriedenheit oder das Fehlen eines geeigneten Arbeitsplatzes eine negative Atmosphäre schaffen bzw. manifestieren. Sie können somit Mitverursacher für das Postnukleotomiesyndrom sein. Das Schmerzgedächtnis (Pain memory) wird ebenfalls als Ursache für das Post-Nukleotomie-Syndrom angenommen.

So viele Menschen haben wiederkehrende Rückenschmerzen

In Deutschland haben statistisch gesehen rund 80 Prozent der Menschen gelegentlich und rund 40 Prozent regelmäßig wiederkehrende Rückenschmerzen. Allein 800.000 Mal jährlich wird die Diagnose Bandscheibenvorfall gestellt. Bei mehr als 50.000 der jährlich Betroffenen steht eine Operation an. Bei 15 Prozent treten erneut Beschwerden auf.

Das Postnukleotomiesyndrom kann bei ganz unterschiedlichen Wirbelsäulenoperationen auftreten. Etwa bei Operationen aufgrund einer Spinalkanalstenose oder aber nach Eingriffen an einer oder mehreren Bandscheiben.

Symptome des Postnukleotomie-Syndroms

Auf welche Symptome muss ich bei einem Postnukleotomie-Syndrom oder Postdiskektomie-Syndrom achten? Die Symptome hängen ganz von Ihrer individuellen Situation und Ihrem Empfinden ab. Die präoperativen Schmerzen bleiben nach der Operation, oder sie kehren nach einiger Zeit wieder. Beides kann eine Indikation für die failed back surgery sein. Das Ausmaß der Beschwerden ist ähnlich oder sogar identisch im Vergleich zur Zeit vor der OP.

Für Schmerzen nach der Operation gibt es viele mögliche Ursachen

Für die Entstehung des Postnukleotomie-Syndroms gibt es viele mögliche Ursachen:

  • Narbenbildungen, Vernarbungen und Instabilität,

  • ungenügende Entlastung der Nervenwurzeln bei der Operation,

  • außerdem steigt nach einem Eingriff manchmal die Belastung für die angrenzenden Segmente der Wirbelsäule. Sie können dadurch überlastet werden, was zu Schmerzen führen kann,

  • psychosoziale Faktoren wie Belastungen und Stress im Privatleben oder Job (s. oben) können das Entstehen eines Postnukleotomiesyndroms begünstigen,

  • das Schmerzgedächtnis. Unzureichend behandelte starke Schmerzen hinterlassen irgendwann Spuren im Rückenmark des Patienten und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch im Gehirn. Diese Schmerzspuren nennen wir „Schmerzgedächtnis“. Dieser komplizierte Vorgang im Nervenleben sorgt dafür, dass Schmerzzellen Schmerzsignale ans Gehirn funken, und dass dann spontane Schmerzen auftreten, die keine organische Ursache haben,

  • langes Warten, bis die Operation durchgeführt wird, da dadurch dauerhafte Schäden in den Nervenfasern entstehen können.

Postnukleotomie-Syndrom - deshalb ist die Diagnostik so wichtig

Die Suche nach den Gründen und Ursachen für Ihr Postnukleotomie-Syndrom ist nicht ganz einfach. Im Gegenteil: Sie ist vielseitig, erfordert viel Fachwissen, Einfühlungsvermögen des Arztes, den sinnvollen Umgang mit Technik - und Sie sind gefragt.

Denn wie immer, beginnt auch diese Diagnostik mit persönlichen Fragen, die Sie so konkret wie möglich beantworten sollen. Die Fragen können lauten: Wie und wo waren die Schmerzen vor der Operation? Wo sind die Schmerzen nach der Operation genau? Sind sie so intensiv wie vorher? Haben Sie Muskelkrämpfe? Missempfindungen? Lassen sich die Schmerzen irgendwie beeinflussen durch Laufen, Sitzen, Schmerzmittelmedikamente? Welche Therapien haben Sie bis jetzt absolviert?

Aus Ihren Antworten kann sich Ihr Arzt schon mal ein Bild machen. Wichtig ist auch, dass Sie Ihre sämtlichen medizinischen Unterlagen mitbringen. Danach folgt normalerweise eine körperliche neurologische Untersuchung. Dazu gehören auch bildgebende Verfahren: Röntgen, Magnetresonanztomografie (MRT), Computertomografie (CT). Vor allem bei Verdacht auf eine entzündliche Ursache der Schmerzen kann eine Szintigrafie hilfreich sein. Das ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, durch die sich der Stoffwechsel eines Gewebes beurteilen lässt.

Falls der Arzt bei Ihnen neurologische Ausfälle erkannt hat, kann er zur Abklärung die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) messen. Kann ein Arzt allein dem Problem nicht ausreichend auf den Grund gehen, wird er eine sogenannte multimodale interdisziplinäre Diagnostik anordnen. Das bedeutet, die endgültige Diagnostik wird durch ein Team aus Ärzten (u. a. Psychotherapeuten und Physiotherapeuten) erstellt. Wie immer gilt: Die Ursache muss erforscht und erkannt werden, um Ihnen letztendlich zu helfen. Und nur darum geht es Ihrem Arzt, dem Sie Ihr Vertrauen schenken.

Mögliche Therapien beim Postnukleotomie-Syndrom

Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Kombinationen von Therapien, um dem Postnukleotomiesyndrom etwas entgegen zu setzen. Die Optimierung der Schmerztherapie, Physiotherapie, CT-gesteuerte Infiltrationen (PRT), Facetten-Infiltrationen, psychologische Betreuung, Optimierung des Arbeitsplatzes - all diese Verfahren können helfen.

Falls die Schmerzen vorwiegend in der Lendenwirbelsäule (LWS-Syndrom), Halswirbelsäule (HWS-Syndrom), Brustwirbelsäule (BWS-Syndrom), Steißbein oder im Ilio-Sakral-Gelenksbereich liegen, ist die Thermo-Denervation eine gute Option. Falls eine Kompression auf den Nerven liegt (Rezidiv-Vorfall, Reste eines alten Bandscheibenvorfalls, noch vorhandene Enge), wäre eine erneute Operation (Mikrochirurgie) eine gute Alternative. Um Rezidive zu vermeiden, könnte ein Faserringverschluss eine gute Lösung sein. In so einem Fall würden wir neben der Mikrochirurgie ein Anti-Narben-Gel ansetzen. Liegt eine Instabilität vor, dann bietet sich die Stabilisierung (Spondylodese) an.

Falls keine eindeutige Ursache für die Schmerzen vorliegt, wäre die Rückenmarksstimulation eine gute Alternative. Sie bietet sehr gute Ergebnisse. Oft ist eine Kombination von mehreren Ansätzen erforderlich.

Die richtige Form der Therapie bzw. die Kombination aus verschiedenen Entlastungen, kann nur nach der genauen Diagnose durch einen Spezialisten getroffen werden.

Prognose zu bleibenden Schmerzen nach Wirbelsäulen-Operation

Ganz wichtig: Geben Sie Ihr Leben nicht aus der Hand - und zum Leben gehört nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft. Und wenn Sie nach einem Postnukleotomiesyndrom für sich selbst eine positive Prognose erstellen möchten, dann sind Sie der Hauptakteur!

Beschleunigen Sie Ihre Schmerzfreiheit bzw. Schmerzarmut, indem das Schmerzgedächtnis umprogrammiert wird. Dabei können normalerweise verhaltenstherapeutische Maßnahmen (wie etwa Schmerzbewältigungstraining, Körperwahrnehmungstraining, Atemtraining) helfen. Das gleiche gilt für Physiotherapie-Maßnahmen. Fördern Sie in einer Rückenschule gezielt den Aufbau der Rücken-und Bauchmuskulatur.

Und, was Sie wissen und beachten sollten: Das Postnukleotomiesyndrom kann schleichend in ein chronisches Schmerzsyndrom übergehen. Wichtig, dass diese Therapien zeitnah bei Schmerzen nach Wirbelsäulen-Operationen erfolgen.

Dr. med. Munther Sabarini

Autor
Dr. med. Munther Sabarini
Facharzt für Neurochirurgie

Informationen zum Artikel

Der Artikel wurde zuletzt am 30.08.2022 geprüft und aktualisiert.

Über den Autor

Dr. med. Munther Sabarini ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik. Der Facharzt der Neurochirurgie hat sich insbesondere auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Dr. Munther Sabarini hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. In dieser Zeit behandelte er über 30.000 Patienten.

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Quellenangaben und weiterführende Literatur

  • M. W. Geudeke, A. C. Krediet, S. Bilecen, F. J. Huygen, M. Rijsdijk: Effectiveness of Epiduroscopy for Patients with Failed Back Surgery Syndrome: A Systematic Review and Meta‐analysis. Pain practice, 2021.
  • S. J. Tuijp, J. Van Zundert, P. De Vooght, M. Puylaert, R. Mestrum, R. Heylen,  P. Vanelderen: Does the use of epiduroscopic lysis of adhesions reduce the need for spinal cord stimulation in failed back surgery syndrome? A short-term pilot study. Pain Practice, 2018.
  • S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie: Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer Schmerzen, 2013.
  • Anke Eckardt: Praxis LWS-Erkrankungen: Diagnose und Therapie. Deutschland, Springer Berlin Heidelberg, 2011.

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