Faserringverschluss zur Behandlung und Vorbeugung von erneuten Bandscheibenvorfällen

Was ist der Faserring?

Bevor wir über die Therapievariante Faserringverschluss reden, erklären wir den Faserring und einen eingerissenen Faserring, wie er bei einem Bandscheibenvorfall vorliegt.

In der Wirbelsäule sitzen die Bandscheiben wie kleine Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbeln und übernehmen eine Pufferfunktion. Sie fangen Erschütterungen der Wirbelsäule ab und kompensieren den Druck, damit das Rückenmark geschützt bleibt. Wir haben insgesamt 23 Bandscheiben, die wie Wasserkissen zwischen den einzelnen Wirbeln des Rückgrats im Rücken liegen. Sie bestehen aus einem weichen Gallertkern (Nucleus pulposus) und einem äußeren Faserring (Anulus pulposus), der für die nötige Stabilität sorgt.

Bei dauerhafter falscher oder zu starker Belastung und altersbedingtem Verschleiß kann es dazu kommen, dass einer dieser Stoßdämpfer seinen Job kündigt. Das nennen wir dann einen Bandscheibenvorfall (Discusprolaps oder Diskushernie). Bei so einem Vorfall der Bandscheibe kann der Gallertkern austreten und in den Wirbelkanal gelangen, weil Risse im Faserring entstanden sind. Wenn diese ausgetretene Gallertmasse dann auf eine Nervenwurzel drückt, kommt es zu massiven Schmerzen, zu Sensibilitätsstörungen oder Lähmungen.

Erneute Faserrisse und Bandscheibenvorfälle

Bandscheibenvorfälle können in allen Segmenten der Wirbelsäule auftreten. Besonders häufig von Rissen der Faserringe betroffen sind die Bandscheiben im unteren Bereich der Lendenwirbelsäule (L4/L5) und (L5/S1). Es gibt viele Therapiemöglichkeiten, um den Patienten die Schmerzen zu nehmen: Sie reichen von konservativer Therapie bis zu mikrochirurgischen Operationen. Die Mehrheit aller Patienten berichten nach diesen Behandlungen über hervorragende Ergebnisse. Doch bei 10 bis 15 Prozent der erfolgreich Operierten tritt ein erneuter Vorfall an der gleichen Stelle, ein sogenanntes Rezidiv, auf.

Wir wissen: Ein wiederholter Austritt der Gallertmasse aus einem defekten Faserring bedeutet für viele Patienten mehr Schmerzen und Einschränkungen als beim ersten Mal. Außerdem: Eine Zweitoperation zieht zwangsläufig mehr Narbengewebe nach sich, was wiederum eine (weitere) Einschränkung des ohnehin engen und nervenreichen Raumes bedeuten kann. Das macht in der Folge oft eine Behandlung dieser sogenannten Adhäsionen nötig. Selbst unter optimalen Bedingungen stellt eine Operation ein Risiko dar. Das Ziel ist also: „So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich“.  

Was bedeutet ein Rezidiv?

Bei einem Rezidiv verspüren Betroffene trotz zuvor erfolgter „erfolgreicher“ Bandscheibenoperation wieder Schmerzen. Weil die Beschwerden Wochen, Monate oder Jahre nach dem Eingriff wiederkehren, sind Patienten, aber auch Operateure, sehr enttäuscht. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 bis 10 Prozent tritt erneut Gewebe des Gallertkerns durch den Faserring der Bandscheibe aus.

Rezidive Bandscheibenvorfälle entstehen in der Regel nicht aufgrund falschen Verhaltens der Patienten oder einer falschen Operationstechnik. Vielmehr verursachen eine fortschreitende Degeneration und die Tatsache, dass der Riss im Faserring noch immer offen ist, einen erneuten Bandscheibenvorfall. Der Faserringriss hat sozusagen nie eine vollständige Heilung erfahren und stellt ein "Tor" dar, durch das erneut Bandscheibengewebe austreten kann. 

Um der Entstehung von rezidiven Bandscheibenvorfällen vorzubeugen, beginnen einige Chirurgen aggressiver an der Wirbelsäule zu operieren. Anstatt nur das überstehende Bandscheibengewebe, das auf die Nerven drückt, zu entfernen, nehmen sie die komplette Bandscheibe heraus. Das Problem hierbei: Fehlt die Bandscheibe, beschleunigt dies die Degeneration der angrenzenden Wirbelkanten. Langfristig verursacht diese operative Vorgehensweise oft eine erhebliche Verschlechterung und weitere Rückenschmerzen zur Folge. Im schlimmsten Fall müssen später weitere Eingriffe und im absolut schlechtesten Fall eine Wirbelsäulenversteifung vorgenommen werden.

Mediziner kennen dieses Problem seit Jahren. Versuche, diesen Riss mit einem Titanstopfer zu verschließen, bergen jedoch immer die Gefahr einer möglichen Verletzung der Nerven bei Verrutschen des Implantates. Zudem droht die Entstehung unklarer MRT-Bilder durch die Bildung von Schatten, den sogenannten Artefakten, im Fall einer erneuten Durchführung eines MRTs.

Es stellt sich also schnell die Frage, ob es nicht ein schonenderes Verfahren für Bandscheiben, Wirbelkörper und die Wirbelsäule im Allgemeinen gibt. Müssen in solchen Fällen tatsächlich die Bandscheiben an der Halswirbelsäule, Lendenwirbelsäule oder Brustwirbelsäule entfernt werden?

Wie funktioniert der Faserringverschluss genau?

Erfreulicherweise ist die medizinisch-chirurgische Wissenschaft sehr innovativ. Das Ergebnis dieser Innovation nennen wir die Faserringnahttechnologie. Damit wird der Riss des Faserrings mit einer speziellen Nahttechnik intraoperativ verschlossen. So kann der Faserring der Bandscheibe eine Heilung erfahren. Intraoperativ bedeutet: Die Reparatur des Faserrings wird durch den Arzt unmittelbar nach Entfernung des ausgetretenen Bandscheibenmaterials vorgenommen – also im selben Eingriff. Sie dient somit nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Vorbeugung von erneuten Bandscheibenvorfällen.

Erfahrene Operateure benötigen dafür etwa 5-10 Minuten. Diese revolutionäre Technologie reduziert die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines erneuten Vorfalls deutlich. Es sind nicht nur neue Techniken, sondern auch neue Materialien, die es erlauben, die kleinen oder auch größeren Defekte im Faserring rund um den Gallertkern zu verschließen. Dabei gehen wir folgendermaßen vor: Nach Entfernung des Bandscheibenvorfalls bringen wir einen Spezialfaden in die eines Seite des Risses. Mittels Spezialinstrumenten kommt der Faden durch die andere Seite des Risses und wird dadurch verknotet. So wird der Riss verschlossen. Die Naht ist so stabil, dass es viel Druck aushalten kann - bis zu 15 Newton. 

Die Avicenna Klinik gehört zu den ersten Kliniken in Deutschland, die diese spezielle Nahttechnik seit geraumer Zeit anwendet und somit die Rezidivsrate deutlich verringert.

Neue Hoffnung für Patienten durch AnchorKnote


Mithilfe der neuen AnchorKnote-Technologie wird der Riss des Faserrings mit einer speziellen Nahttechnik intraoperativ, also bereits während des Eingriffes, nach Entfernung des überstehenden Bandscheibengewebes verschlossen. Erfahrene Operateure benötigen dafür etwa fünf bis fünfzehn Minuten. Die neue Methode reduziert die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines erneuten Vorfalls deutlich.

Vorteile des Faserringverschlusses

Der Faserring wird mithilfe dieser Technik fest verschlossen. So verheilt der Faserring vollständig und es kann kein weiteres Bandscheibenmaterial in den Kanal eindringen. Die Nerven, Bandscheiben, der Rücken und das Rückenmark werden auf diese Weise mittelfristig und kurzfristig entlastet und geschont. Erste Studien in kleineren Patientengruppen aus den USA sagen, dass bei 94 Prozent der Eingriffe ein Rezidiv verhindert werden konnte.

Dr. med. Munther Sabarini

Autor
Dr. med. Munther Sabarini
Facharzt für Neurochirurgie

Informationen zum Artikel

Der Artikel wurde zuletzt am 31.08.2022 geprüft und aktualisiert.

Über den Autor

Dr. med. Munther Sabarini ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik. Der Facharzt der Neurochirurgie hat sich insbesondere auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Dr. Munther Sabarini hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. In dieser Zeit behandelte er über 30.000 Patienten.

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