Mikrochirurgie – kleine Schnitte, große Therapieerfolge

Was ist Mikrochirurgie?

Jeder hat das Wort schon einmal gehört - und dennoch werden wir immer wieder gefragt: Was ist eigentlich Mikrochirurgie? Nun, viele Menschen können sich darunter einiges vorstellen - schließlich bedeutet ‚mikro‘ klein, und klein ist bei der Mikrochirurgie auch wirklich klein: Klein ist der Schnitt und klein - speziell angefertigt - sind die ein bis zwei Millimeter dünnen OP-Instrumente, mit denen wir arbeiten. Die Mikrochirurgie ist eine Operationstechnik, die sich u. a. aus der "Minimal-Invasiven Chirurgie" (operative Eingriffe mit kleinstem Trauma) entwickelt hat. Mit der mikrochirurgischen Operationsmethode können wir nicht nur den Therapieerfolg verbessern, sondern auch die operationsbedingten Gewebeschädigungen in immer engeren Grenzen halten. Der Operateur arbeitet mit einer stark vergrößerten Sehhilfe. Es werden Lichtmikroskope eingesetzt. Der große und entscheidende Unterschied zwischen der minimal invasiven Chirurgie und der konventionellen Chirurgie ist die Zugangsart. Bei der herkömmlichen großen OP gibt es den sogenannten ‚großen Schnitt‘, um danach an das OP-Feld zu gelangen. In der Mikrochirurgie ist unsere Zugangsart schonend. Das heißt - der chirurgische Eingriff wird nicht unter direkter Sicht, sondern durch Anlage einer Sonde zur Einführung spezieller Instrumente unter Mikroskop durchgeführt. Durch diese Art der Chirurgie wird die Reduktion des Traumas beim Zugang und der bei der Operation sichergestellt.

Wann ist die Mikrochirurgie die erfolgversprechende Therapie?

Die Wirbelsäulen-und Rückenmarkchirurgie ist seit Jahrzehnten DIE Säule in der Neurochirurgie. Sie kann degenerative, Tumor- und verletzungsbedingte und entzündliche Veränderungen bzw. Erkrankungen der gesamten Wirbelsäule und des Rückenmarks behandeln. Deshalb sollten Sie sich einem Neurochirurgen anvertrauen, wenn Sie (oder Ihr Hausarzt) meinen, dass Ursachen für Ihre Probleme (Schmerzen, Lähmungen, Taubheit etc.) im Bereich der Wirbelsäule liegen. Hier können sich - eine Indikation für einen mikrochirurgischen Eingriff - unterschiedlichste Bandscheibenvorfälle, Stenosen, Tumoren und Zysten entwickeln, die Nerven und Rückenmark bedrängen und neurologische Funktionsstörungen auslösen. Zysten sind zwar nichts anderes als flüssigkeitsgefüllte Strukturen, aber sie können Schmerzen bewirken wie ein Bandscheibenvorfall. Bei den Tumoren unterscheiden wir, ob sie innerhalb oder außerhalb des Rückenmarks (intra-/extramedullär) gelegen sind, ob sie gutartig oder bösartig sind. Beide Gruppen sind mikrochirurgisch gut zu behandeln. Um ein Fortschreiten der Ausfallserscheinungen zu verhindern, ist es nötig, den Raum für die Nervenwurzeln und für das Rückenmark in einer Operation (OP) zu erweitern.

Operationsverlauf - Mikrochirurgie an der Brust- oder Lendenwirbelsäule

In Bauchlage und unter Vollnarkose beginnt die Bandscheibenvorfall OP mit etwa drei Zentimeter langen Hautschnitt in der Mitte des Rückens. Wenn wir mit unseren feinen Instrumenten den Spinalkanal erreicht haben, entfernen wir den Vorfall, erweitern wir den Spinalkanal durch Abtragung der knöchernen Anbauten oder entfernen wir Zysten. Ähnlich ist es beim Wirbelsäulentumor, eine eher seltene Erkrankung, die gutartig wie auch bösartig sein kann. Auch hier geht es darum, das Tumorgewebe zu entfernen, ohne das Rückenmark oder die Nervenbahnen zu schädigen. Während des Eingriffs werden die motorischen und sensiblen Nerven des Rückenmarks kontinuierlich überwacht. Mit unserem Operationsbesteck (dazu kann auch ein Laser gehören - mit ihm können wir restliche Tumorzellen vernichten, die wir mit anderen Instrumenten nicht abtrennen können) verkleinern wir den Tumor schrittweise vom gesunden Rückenmark. Die häufigsten gutartigen Wirbelsäulentumoren im Rückenmarkskanal sind Meningeome. Wir können sie fast immer komplett entfernen, so dass es in der Zukunft nicht mehr zu neurologischen Ausfällen kommen wird. Noch ein Wort zur Diagnostik, die bekanntlich vor der Therapie steht: Den Tumor erfassen wir idealerweise über eine ausführliche klinische Untersuchung und eine Kernspintomografie (MRT) mit oder ohne Kontrastmittel in drei Ebenen und einer Röntgenaufnahme der Wirbelsäule.

Direkt nach der Operation

Die erste Station nach der OP ist das Aufwachzimmer. Hier kommen Sie aus der Narkose, hier bekommen Sie auch Schmerzmedikamente in der notwendigen Dosierung. Danach - meist schon nach wenigen Stunden - werden Sie auf Ihr Zimmer geschoben. Bettruhe ist angesagt. Falls Sie Besuch bekommen, lassen Sie sich nicht überstrapazieren, Ihr Körper muss sich schonen. Und die OP-Narbe - sei sie auch noch so winzig - muss verheilen, Infektionen müssen vermieden werden.

Die nächsten Tage nach der Operation

Die minimal-invasive OP-Methode macht einen reduzierten Klinikaufenthalt möglich. Es kommt selbstverständlich auf das Ausmaß des Vorfalls, der Stenose Tumors bzw. der Zyste an - aber grundsätzlich gilt: Einen Tag nach der Operation können die Patienten umherlaufen - der stationäre Aufenthalt insgesamt beträgt 8-12 Tage. In den wenigsten Fällen kommt es zu Reha-Maßnahmen unter stationären Bedingungen - allerdings werden die Patienten nach der Entlassung noch engmaschig von der Klinik betreut. Hier werden sie auch individuell von ihrem Arzt beraten.

Vorteile/Komplikationen - die Mikrochirurgie ist geprägt von Vorteilen

Ob Entfernung eines Vorfalls, Erweiterung einer Stenose, Entfernung von Zysten, oder eine Tumor-OP - alle Behandlungen sind nicht nur mikrochirurgisch möglich, sondern auch empfehlenswert, weil sie von Vorteilen geprägt sind. Das Operationsmikroskop beschert uns ausgeprägte Tiefenschärfe und hervorragende Sichtverhältnisse - im Prinzip ist somit jedes anatomische Detail zu erkennen. Für den Eingriff selbst wurden spezielle Mikro-Instrumente entwickelt, die immer weiter verbessert werden. Das gibt uns die Möglichkeit, so exakt zu behandeln, dass ein größeres Gewebetrauma vermieden werden kann.

Durch diese Mikro-Chirurgie werden für den Patienten Vorteile geschaffen, die man nicht hoch genug schätzen kann. Tumoren können beim mikrochirurgischen Eingriff überwiegend komplett entfernt werden, so dass meist eine besondere Nachbehandlung (Bestrahlung oder Chemo) nicht erforderlich ist. Grundsätzlich gilt: Die Wundheilung verläuft schneller, postoperative Schmerzen und Infektionsgefahren reduzieren sich. Ebenso die gefürchtete Narbenbildung - das liegt daran, dass weniger Gewebe zerstört wird. Last, not least: Sie sind im klassischen Sinne wieder schneller auf den Beinen als nach einem sogenannten großen Eingriff, werden nicht so lange krank geschrieben und können sehr bald schon wieder zurück an Ihren Arbeitsplatz.

Dr. med. Munther Sabarini

Autor
Dr. med. Munther Sabarini
Facharzt für Neurochirurgie

Informationen zum Artikel

Der Artikel wurde zuletzt am 01.08.2022 geprüft und aktualisiert.

Über den Autor

Dr. med. Munther Sabarini ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik. Der Facharzt der Neurochirurgie hat sich insbesondere auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Dr. Munther Sabarini hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. In dieser Zeit behandelte er über 30.000 Patienten.

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