Was ist eine Syringomyelie?
Die Syringomyelie ist eine Rückenmarkserkrankung, bei der sich Hohlräume im Mark bilden, die als Syrinx bezeichnet werden. Diese Hohlräume, die mit Flüssigkeit gefüllt sind, enthalten keine Nervenzellen und beeinträchtigen somit die Weiterleitung von Reizen.
Normalerweise wird in den Hirnkammern die Gehirnflüssigkeit, auch Nervenwasser oder Liquor genannt, produziert. Diese Flüssigkeit umspült das Gehirn und das Rückenmark von innen und außen. Im Rückenmark verläuft ein dünner Kanal, der Zentralkanal, der in jungen Jahren mit Liquor gefüllt ist. Im Laufe der Zeit verschließt sich dieser Kanal von unten (Lendenwirbelsäule bis Brustwirbelsäule) nach oben (Halswirbelsäule). Wenn es zu Blockaden oder vorzeitigen Verschlüssen an bestimmten Stellen dieses Kanals kommt, staut sich die Flüssigkeit dort auf und es entsteht eine mit Liquor gefüllte Höhle (Syrinx) im Rückenmark. Diese Erkrankung tritt meist im Bereich der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule auf.
Die entstandene Höhle verursacht einen Druck auf das Nervengewebe und führt zu ersten Symptomen. Typische Symptome der Syringomyelie sind Empfindungsstörungen, Schmerzen, Muskelschwäche und Lähmungen. Nach dem ersten Auftreten der Symptome verschlechtert sich der Zustand in der Regel langsam im Verlauf von Jahren bis Jahrzehnten. Das Auftreten, die Intensität und der Verlauf der einzelnen Beschwerden können jedoch nicht vorhergesagt werden.
Häufigkeit einer Syringomyelie
Die Syringomyelie, die Bildung einer sogenannten Syrinx, ist eine seltene Erkrankung. Schätzungsweise sind etwa sechs bis neun Menschen von 100.000 von dieser Störung betroffen. Die Krankheit tritt in der Regel erstmals im Alter von 20 bis 40 Jahren auf, obwohl sie häufig angeboren ist. Es gibt auch Fälle, in denen die angeborene Syringomyelie in bestimmten Familien überdurchschnittlich häufig auftritt, insbesondere in kinderreichen Familien.
Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit der Syringomyelie. Männer entwickeln etwa doppelt so häufig Syringomyelien im Vergleich zu Frauen. Frauen sind insgesamt seltener von dieser Krankheit betroffen.
Unterschiedliche Ursachen einer Syringomyelie
Die Ursachen einer Syringomyelie sind äußerst vielfältig. Grundsätzlich muss man zwischen einer angeborenen und einer erworbenen Syringomyelie unterscheiden. In Studien wird zumeist davon ausgegangen, dass die angeborene Syringomyelie für 55 - 70% aller Fälle verantwortlich ist und somit deutlich häufiger vorkommt als die erworbene Syrinx.
Angeborene Syringomyelie durch Chiari Malformation
Der angeborenen Form der Syringomyelie liegt meist eine Fehlbildung der Wirbelsäule oder Schädelabnormalitäten zu Grunde. Eine häufige Ursache sind beispielsweise die Chiari Malformationen. Hierbei kommt es zu einer Nach-Unten-Verlagerung von Teilen des Kleinhirns in Richtung des Rückenmarkkanals. Die veränderte Lage der Gehirnteile in Beziehung zum Schädelknochen bewirkt dann die Beeinträchtigung der freien Zirkulation des Nervenwassers.
Die häufigste Variante der Chiari Malformation ist CM 1 (Chiari Malformation Typ 1): Hierbei verlagern sich Anteile des unteren Kleinhirns um mindestens drei Millimeter durch das Hinterhauptsloch in den Spinalkanal.
Ursachen für erworbene Formen der Syringomyelie
Die Ursachen der erworbenen Form der Syringomyelie sind verschieden:
Ein ausschlaggebender Punkt kann zum Beispiel ein Unfall sein: Etwa fünf Prozent aller Patienten mit einer Verletzung des Rückenmarks durch einen Unfall entwickeln in den folgenden Jahren eine Syringomyelie. Die Höhlenbildung der Syrinxen setzt nach einigen Monaten bis mehreren Jahren nach dem Unfall ein. Manchmal sind es aber auch wiederholte Mikrotraumen, an die sich der Patient gar nicht erinnert, die aber eine Verklebung der feinen Rückenmarkshäute mit daraus resultierender Liquor-Zirkulationsstörung verursachen können.
Ebenfalls Ursache für eine Syringomyelie kann eine Entzündung des Rückenmarks sein. Auch nach einer Behandlung durch Eingriffe am Rückenmark kann Syringomyelie entstehen.
Typische Symptome einer Syringomyelie
So vielfältig wie die Ursachen, können auch die Symptome dieser Krankheit sein. Die Syringomyelie verursacht unangenehme und oftmals sehr schmerzhafte Symptome.
Typische Symptome einer Syringomyelie können sein:
scharfe, brennende oder dumpfe Schmerzen im Bereich von Schulter, Kopf, Nacken und in den Armen, migräneartige Kopfschmerzen;
Sensibilitätsstörungen wie Hitzeunempfindlichkeit oder Berührungsempfindlichkeit der Gliedmaßen, Kribbeln, Stechen;
Berührungsempfindlichkeit oder die Tiefensensibilität, die anzeigt, in welcher Stellung sich Körper und Gelenke befinden, können gestört sein;
gesteigerte Hitze- oder Kälteempfindlichkeit des Körpers;
Störungen des Lagesinns, Gangunsicherheit, Schwindel und Koordinationsstörungen, temporäre Gedächtnisstörungen;
Manchmal kommt es zu Fehlregulationen der Durchblutung. Die Haut erscheint dann bläulich und kühl, später auch teigig angeschwollen;
Krämpfe, unkontrollierte Muskelzuckungen, Lähmungserscheinungen bzw. Lähmung, Verminderung der Muskelmasse;
Sehr unangenehm für die Patienten sind Inkontinenz von Blase und Darm - das kann bis zur Lähmung des Blasen- bzw. Schließmuskels führen;
Impotenz, abnehmende Libido, sexuelle Funktionsstörungen;
Verlangsamte Wundheilung;
Ermüdungszustände, allgemeine Kraftlosigkeit, Neigung zu schneller Erschöpfung;
Schlaflosigkeit, depressive Verstimmung bis zur Depression.
Diagnose Syringomyelie mittels Magnetresonanztomographie (MRT)
Nur in einer ausführlichen Untersuchung lassen sich die Hohlräume (Syrinx) lokalisieren. Grundlage ist zunächst eine Anamnese und gründliche neurologische Abklärung. Bei der körperlichen Untersuchung prüft der Arzt vor allem die Reflexe und achtet auf die Muskelkraft.
Ergibt sich aus diesen anfänglichen Schritten der Verdacht auf eine Syringomyelie, folgt die Diagnosestellung mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT). In den MRT- Aufnahmen des Spinalkanals und der angrenzenden Gehirnteile kann man die Höhle und ihre Ausdehnung direkt darstellen. Um die Zirkulation des Hirnwassers zu sehen, kann man mit einer speziellen MRT-Untersuchung den Fluss des Liquors als Film darstellen. Dabei wird die Pulsation des Hirnwassers in Abhängigkeit vom Herzschlag des Patienten angezeigt. Die genaue Interpretation dieser Untersuchung erlaubt in vielen Fällen kleinste Verklebungen mit Zirkulationsstörungen des Hirnwassers nachzuweisen.
Spezielle neurochirurgische Therapien bei Syringomyelie
Wichtig ist es immer, dem Patienten Hoffnung zu machen und Hoffnung zu geben, aber keine falschen Hoffnungen zu machen. Ein wichtiger Bestandteil in der Therapie ist eine den Bedürfnissen des Patienten angepasste Schmerztherapie. Dazu kommen eine frühzeitige krankengymnastische Betreuung und Physiotherapien. Auch eine Schulung des Patienten, die eine regelmäßige Selbstuntersuchung mit einschließt, macht Sinn. Damit werden Verletzungen, die für einen Teil der Patienten aufgrund von Empfindungsstörungen nicht schmerzhaft sind, rechtzeitig erkannt und ausreichend behandelt.
Neben diesen eher allgemeinen Therapiemaßnahmen gibt es spezielle neurochirurgische Therapien der Syringomyelie.
Um ein Fortschreiten der Ausfallerscheinungen zu verhindern, ist es nötig, den Raum für das Rückenmark in einer Operation (OP) zu erweitern oder die Flüssigkeit, die sich in der Höhle befindet, von dort abzuleiten. Dadurch ist es möglich, eine Vergrößerung des Hohlraums aufzuhalten und sogar teilweise eine Verkleinerung zu erreichen. Mithilfe der Mikrochirurgie kommen wir in den Hohlraum hinein und schaffen eine Verbindung zwischen der Syrinx und dem Epiduralraum. Das ist der Raum, wo das Hirnwasser fließt. So kann der Liquorfluss wieder ermöglicht werden. Durch die Druck-Reduktion entlasten wir das Rückenmark und lindern auf diese Weise die Schmerzen. Bestehende Symptome bilden sich in den meisten Fällen jedoch nur unvollständig zurück.
Ist die Syringomyelie nach einem Unfall entstanden, werden Verklebungen der weichen Rückenmarkshäute gelöst und eine Dura-Erweiterungsplastik eingenäht. Das Nervenwasser kann dann wieder ungehindert abfließen, die Syrinx fällt in sich zusammen.
Hat sich die Höhle auf dem Boden eines Tumors gebildet, reicht es oft, den Tumor zu entfernen, um so eine Besserung der Symptomatik zu erreichen.
Behinderungsgrad bei Syringomyelie
Der Behinderungsgrad bei Syringomyelie variiert stark und hängt von der Lage und Ausdehnung der Syrinx sowie den betroffenen Nervenbahnen ab. Einige Personen haben möglicherweise nur geringfügige Symptome, während andere erheblich beeinträchtigt sein können.
Die Beeinträchtigung der täglichen Aktivitäten und der Berufsfähigkeit wird zur Beurteilung des Behinderungsgrads herangezogen. Die Syringomyelie kann zu dauerhaften Einschränkungen führen, die eine Anpassung des Lebensstils und Unterstützung im Alltag erfordern. Eine ganzheitliche medizinische Betreuung und Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team sind wichtig, um Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Es wird empfohlen, die individuelle Situation mit einem Arzt oder Experten für Sozialversicherung und Rehabilitation zu besprechen, um den spezifischen Unterstützungsbedarf und mögliche Ansprüche auf Sozialleistungen zu klären.
Prognose - so kann die Lebensqualität verbessert werden
Einer Syringomyelie kann man nicht vorbeugen. Leider ist es zurzeit auch noch nicht möglich, die Syringomyelie zu heilen. Man kann aber ihr Fortschreiten aufhalten oder verlangsamen und schwere Begleitsymptome sowie Schmerzen und Störungen lindern.
Insgesamt ist der Verlauf der Krankheit sehr unterschiedlich. Bei einem Drittel bis der Hälfte der Patienten verläuft sie nur langsam fortschreitend oder kommt vollständig zum Stillstand. Bei einem Viertel der Patienten kommt es zu einer zunehmenden Verschlechterung des Befindens, die auch durch Operationen nur wenig verlangsamt werden kann. Besonders Syringomyelien, die nach einem Trauma entstanden sind, neigen zu einer plötzlichen und zum Teil anhaltenden Verschlechterung. Bei Höhlenbildung in Tumoren des Rückenmarks hängt die Prognose im Wesentlichen von der Grundkrankheit ab.
Eine Prognose zur Lebenserwartung bei Syringomyelie hängt, wie oben beschrieben, stark vom Verlauf ab. Es kommt vor, dass Syringomyelien vollständig ihren Fortschritt stoppen. In anderen Fällen wird von Schüben berichtet.
Die Lebensqualität der Betroffenen kann durch rechtzeitige Diagnostik und nachfolgende Operation zum richtigen Zeitpunkt erheblich gesteigert werden.
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Der Artikel wurde zuletzt am 29.06.2023 geprüft und aktualisiert.
Über den Autor
Dr. med. Munther Sabarini ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik. Der Facharzt der Neurochirurgie hat sich insbesondere auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Dr. Munther Sabarini hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. In dieser Zeit behandelte er über 30.000 Patienten.
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Quellenangaben und weiterführende Literatur
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