Definition - Tumor an der Wirbelsäule
Tumore können im gesamten Körper auftreten, auch als spinale Tumore in oder an der Wirbelsäule. Besonders betroffen ist insbesondere der Spinalkanal. Die entsprechende Diagnose des Tumors an der Wirbelsäule ist nicht sofort mit Krebs gleichzusetzen. Wir bezeichnen zunächst alle Wucherungen und Geschwülste als Tumor. Erst dann erfolgt eine grundsätzliche Unterscheidung in gutartige Tumore (Meningeome, Neurinome), bösartige Tumore und Metastasen. In einer individuellen und genauen Untersuchung klären wir ab, welche Art vorliegt und leiten entsprechende Behandlungsschritte ein.
Drei Kategorien von Wirbelsäulentumoren
Ein Tumor an der Wirbelsäule wird an Hand seiner anatomischen Lage zum Rückenmark in drei Kategorien eingeteilt:
- Extradurale Tumore
- Intradurale-extramedulläre Tumore
- Intradurale-intermedulläre Tumore
Extradurale Tumore liegen außerhalb der Rückenmarkshäute. Sie machen 90% der Tumore an der Wirbelsäule aus. 9 Prozent entfallen auf die Tumore, die innerhalb der Rückenmarkshäute aber außerhalb des Rückenmarks liegen. Das sind die sogenannten intraduralen-extramedulläre Tumore. Sehr selten tritt mit 1 Prozent ein Tumor auf, der direkt im Rückenmark und somit natürlich auch in der Rückenmarkshaut liegt. In diesem Fall sprechen wir von intraduralen-intermedullären Tumoren.
Häufigkeit und Arten von Knochenmetastasen
Metastasen sind Absiedlungen von Tumoren aus anderen Körperregionen. Die Wirbelsäule ist der häufigste Ort für Skelettmetastasen. Wirbelsäulenmetastasen verteilen sich anatomisch wie folgt:
- 70% BWS / Brustwirbelsäule
- 20% LWS / Lendenwirbelsäule
- 10% HWS / Halswirbelsäule
Primäre Wirbelsäulentumoren sind selten: Nur etwa 5% aller Primärtumoren des Skeletts finden sich an der Wirbelsäule.
Bei den bösartigen Metastasen an der Wirbelsäule handelt es sich meist um Metastasen von Brustkrebs (Mammakarzinom), Vorsteherdrüsenkrebs (Prostatakarzinom), Lungenkrebs (Bronchialkarzinom), Nierenkrebs oder Lymphdrüsenkrebs (Lymphom).
Metastasen an den Knochen, sogenannte Knochenmetastasen, sind tatsächlich leider sehr häufig. Nach Leber und Lunge ist der Knochen der dritthäufigste Metastasierungsort. Zwei Drittel aller Knochenmetastasen betreffen die Wirbelsäule. Männer sind häufiger von Knochenmetastasen betroffen als Frauen: Das Verhältnis Männer zu Frauen liegt bei 3:2. Mit zunehmendem Lebensalter treten immer häufiger Knochenmetastasen auf.
Ursachen von Tumoren der Wirbelsäule
Wie kommen die Metastasen an die Wirbelsäule? Wo sind die Ursachen für Tumore der Wirbelsäule? Bilden sie sich direkt an der Wirbelsäule? Wie genau entstehenen Wirbelsäulenmetastasen? Um das Krebsgeschehen zu begreifen, ist es hilfreich zu verstehen was passiert, wenn sich Zellen krebsartig verändern.
Der Körper besteht aus vielen verschiedenen Zelltypen. Normalerweise wachsen bzw. teilen sich die Zellen nur dann, wenn dies notwendig ist. Diese Regeneration der Zellen läuft geregelt ab und dient der Gesunderhaltung des Körpers.
Wenn die Zellteilung erfolgt, obwohl keine neuen Zellen benötigt werden, kommt es zu einer übermäßigen Gewebeneubildung. Der Überschuss an Gewebe bildet eine Geschwulst, die man Tumor nennt. Das so entstandene überschüssige Gewebe kann gutartig oder bösartig sein.
Bösartige Tumore (Karzinome) bedeuten Krebs! Es kommt sehr häufig vor, dass Krebszellen sich von einem bösartigen Primärtumor ablösen und in die Blutbahn oder das lymphatische System eindringen. Auf diese Weise streuen Krebszellen von dem ursprünglichen Tumor (Primärtumor) aus und bilden neue Tumore in anderen Organen. Sie verlassen also den Tumor und wandern durch den Körper, bis sie einen neuen Platz zum Wachsen gefunden haben. Diese Kolonien, Metastasen genannt, gelten als die größte Gefahr bei Krebs.
Die Kolonien der Metastasen unterscheiden sich meist vom ursprünglichen Tumor. Das erschwert die Behandlung deutlich. Metastasen sind für fast 90% der Todesfälle bei Krebspatienten verantwortlich.
Wenn Ärzte verhindern könnten, dass sich neue Kolonien bilden, hätte auch der Krebs viel von seinem Schrecken verloren. Doch eine einfache Lösung wird es wohl nicht geben. Denn bislang zeigt die Forschung vor allem, wie komplex und vielschichtig die Entwicklung der Metastasen ist. Eine schnelle Operation oder ein operativer Eingriff reichen nicht aus, um die Wirbelsäulenmetastasen zu behandeln.
Schmerzen und neurologische Störungen bei Tumoren der Wirbelsäule
Leider gibt es nicht die klassischen spezifischen Symptome, anhand derer man einen Wirbelsäulentumor erkennen kann. Unabhängig von Gut- oder Bösartigkeit engen die Wucherungen oft den Raum der Nervenfasern ein und üben Druck auf diese aus.
Gutartige Tumore wachsen meist langsam und sind oft ein Zufallsbefund im Rahmen einer Untersuchung. Auch ein gutartiger Tumor zerstört möglicherweise Strukturen und kann folgende Symptome verursachen:
- Schmerzen der Knochenhaut
- lokaler Druck- oder Klopfschmerz
- Ruheschmerz ohne Belastung
- Dauerschmerz
- schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule
- neurologische Störungen bis zu Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion
- Instabilität der Wirbelsäule
Neben der Symptomatik, die durch die Raumforderung des Tumors entsteht, können bei einem bösartigen Tumor zusätzliche Symptome auftreten:
- Fieber
- Lymphknotenvergrößerungen
- Gewichtsabnahme
- Nachtschweiß
- Abgeschlagenheit
Grundsätzlich sollte man wissen: Die Symptome sind von der Art des Tumors und dem Erkrankungsstadium abhängig. In jedem Falle gilt: Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, die keinen erklärbaren Ursprung haben und nach einer Woche keine spontane Besserung zeigen, gehören in die Hände des Facharztes. Schließlich sind Schmerzen bei 95 Prozent aller Patienten das häufigste Symptom. Motorische und autonome Funktionseinschränkungen sind (bei 85 Prozent der Patienten) das zweithäufigste Symptom.
Diagnose - so wird der spinale Tumor klassifiziert
Ein international standardisiertes System, das Grading-System (TNM), sorgt für eine konsequente Klassifizierung des Tumors nach Größe, Lymphknotenbefall und möglichen Metastasen. Diese Klassifizierung ist die Grundlage für eine optimal erfolgreiche Behandlungsstrategie.
Die ausführliche Diagnostik bei einer möglichen Tumorerkrankung beginnt mit der Anamnese (Befragung des Patienten) und neurologischen Untersuchungen. Es folgen je nach Bedarf Ultraschall, Computertomographie (CT), Magnetresonanztomographie (MRT) und nuklearmedizinische Untersuchungsverfahren. Myelographie, Angiographie, Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe) und Labordiagnostik sind weitere wichtige Diagnostika, um eine individuelle Therapie einzuleiten und höchste Behandlungsqualität zu garantieren. Blutuntersuchungen sind dabei aber nur in Ausnahmefällen bei der Diagnostik hilfreich. Sie dienen vor allem dazu, andere Erkrankungen auszuschließen bzw. in der Nachsorge eventuelle Rückfälle zu bemerken.
Schwierig ist die Differentialdiagnose bei Tumoren der Wirbelsäule vor allem dann, wenn es zu einem Wirbelbruch gekommen ist. Dieser kann im Zweifelsfall von Infektionen, traumatisch oder auch durch verschiedene Erkrankungen mit nachfolgender Knochenarmut (Osteopenie) verursacht sein. Weiterhin ist durch die bildgebende Diagnostik eine genaue Aussage über die Tumorherkunft und Gut- bzw. Bösartigkeit häufig nur eingeschränkt möglich. Daher ist im Zweifelsfall immer eine Probenentnahme aus dem Tumor notwendig, um die weitere Therapie festzulegen.
Die Therapie richtet sich nach Art, Lage und Größe des Tumors
Bei der Therapie von Tumoren beginnt bei vielen Patienten sogleich ein Film vor dem inneren Auge abzulaufen: Chemotherapie, Bestrahlung, Operationen. Doch bei der Behandlung von Wirbelsäulentumoren muss nicht gleich von Strahlentherapie die Rede sein.
Eine konservative Therapie ist bei spinalen Tumoren nur eingeschränkt sinnvoll. Dabei spielen der Allgemeinzustand, Alter, Tumorart und Tumorgröße eine Rolle. Bei höheren Lebensalter und kleinen Tumoren, die keine Beschwerden machen, kann auch abgewartet werden. Durch regelmäßige Verlaufskontrollen kann das Tumorwachstum beurteilt und entschieden werden, wann eine Operation sinnvoll ist.
Insgesamt sollte jedoch auch ein gutartiger Wirbelsäulentumor entfernt werden, da er durch seine Raumforderung benachbarte Areale beeinträchtigt und Nerven oder andere empfindliche Strukturen einengen kann. Da es sich bei Tumoren nicht um ein klar abgrenzbares Krankheitsbild handelt, erfordern sie in der Regel eine interdisziplinäre Behandlung durch Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen. Je nach Art, Lage und Größe des Tumors ist eine unterschiedliche operative Entfernung notwendig.
Die Anatomie der Wirbelsäule mit ihrem empfindlichen Rückenmark und den Spinalnerven setzen der radikalen Entfernung eines Tumors Grenzen. Liegt der Tumor ungünstig, kann er nur zum Teil entfernt werden. Jedoch erzielt eine Operation durch Verringerung der Tumormasse immer eine verbesserte Lebensqualität des Betroffenen.
Mithilfe der Mikrochirurgie können gutartige Tumore meist endgültig beseitigt werden, vor allem wenn sie frühzeitig entdeckt werden. Bei einer einhergehenden Zerstörung der Wirbelgelenke und Wirbelkörper kommen weitere Verfahren wie die Spondylodese zum Einsatz, um die Stabilität wiederherzustellen. Dabei wird mit einem spinalen Fixierungssystem aus Schrauben und Stäben gearbeitet. So sind in den letzten Jahren schonende („perkutane“) Eingriffe von hinten entwickelt worden, um bei tumorbedingten Instabilitäten eine schnelle Rehabilitation und Mobilisation des Patienten zu ermöglichen. Sind begleitend eine Entfernung des Wirbelkörpers und der Ersatz durch einen „Kunstwirbelkörper“ aus Titan notwendig, gibt es auch hier modernste operative Möglichkeiten durch die Brustkorbspiegelung („Thorakoskopie“) und Schlüsselloch-Zugänge am Bauch. Dies reduziert Beschwerden nach der OP und ermöglicht eine schnellere Wiederaufnahme des täglichen Lebens.
Während gutartige Tumore der hinteren Wirbelsäulenanteile zum Teil nur operativ entfernt werden müssen (z. B. Osteoblastom), ist bei Metastasen mit Befall mehrerer Wirbelkörper häufig eine anschließende Strahlentherapie oder Chemotherapie notwendig.
Ziel jeder Tumortherapie ist die Erhöhung der Lebensqualität, also das Erhalten der Mobilität, die Verringerung der Schmerzen und die Vermeidung neurologischer Ausfälle, ohne jedoch im Einzelfall den Gesamtverlauf aus den Augen zu verlieren.
Prognose zu Tumoren der Wirbelsäule
Eine regelmäßige Nachkontrolle von Tumoren der Wirbelsäule ist absolut notwendig. Regelmäßige Überprüfungen in halbjährlichem, später jährlichem Abstand sichert die Stabilität und den Heilerfolg des Patienten und ermöglicht bei erneutem Tumorwachstum ein rasches Eingreifen, ggf. durch einen erneuten operativen Eingriff.
Die Prognose gutartiger Tumoren ist im Regelfalle bei rechtzeitiger Diagnosestellung und zügiger operativer Entfernung gut, so dass eine Heilung des Patienten wahrscheinlich und die Lebenserwartung normal ist.
Bei Metastasen bzw. bösartigen Tumoren an der Wirbelsäule hängt die Prognose von vielen Faktoren ab - wie Alter, Allgemeinzustand, Anzahl und Lokalisation der Metastasen sowie Grad der Malignität.
Informationen zum Artikel
Der Artikel wurde zuletzt am 10.06.2022 geprüft und aktualisiert.
Über den Autor
Dr. med. Munther Sabarini ist Direktor und Gründer der Avicenna Klinik. Der Facharzt der Neurochirurgie hat sich insbesondere auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Dr. Munther Sabarini hat mehr als 30 Jahre Berufserfahrung. In dieser Zeit behandelte er über 30.000 Patienten.
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Quellenangaben und weiterführende Literatur
J.-C. Tonn, F.W. Kreth, O. Schnell, B. Meyer, C. Belka, S.E. Combs, C. Lumenta. Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Hirntumoren und spinalen Tumoren. W. Zuckschwerdt Verlag, 4. Auflage, München, 2016.
W. Börm, Frerk Meyer. Spinale Neurochirurgie - Operatives Management von Wirbelsäulenerkrankungen. Schattauer Verlag, Stuttgart, 2009.
G. Fischer, J. Brotchi. Intramedullary spinal cord tumors. Thieme, Stuttgart, 1996.
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